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Der Autohandel streitet mit den Herstellern um neue Verträge. Doch die Autofirmen wollen kaum Zugeständnisse machen. Die Zeit wird allmählich knapp.
Das große Zocken geht aber weiter: Bis zum 30. September 2003 müssen Hersteller und Autohandel die Vertriebsregeln der neuen Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) mit Verträgen besiegelt haben. Große Fortschritte sind bisher nicht zu verzeichnen: Stattdessen streiten sich die Rechtsanwälte. Die Hersteller wollen die Margen kürzen und den Handelspartnern noch höhere Anforderungsmerkmale vorschreiben. Doch die wehren sich nach Kräften: Nur Daimler-Chrysler, Ford, Volvo, Citroën und Subaru haben sich mit ihren Händlern schon geeinigt.
Ganz vorne an der Krawallfront stehen dagegen BMW, Opel und Volkswagen: BMW etwa will die Gewinnspanne in den Verträgen überhaupt nicht mehr festschreiben. Die Händler sollen über Bonussysteme entlohnt werden. Opel und VW sprechen sich für eine Kürzung der Konditionen aus - im Schnitt um mehr als einen Prozentpunkt. Gleichzeitig verlangen die Hersteller aber saftige Investitionen: Der Maßnahmenkatalog von BMW allein soll etwa 100 neue Forderungspunkte umfassen. Schon jetzt bliebe für Betriebe bei einer Umsatzrendite von nicht einmal einem Prozent kaum Spielraum, kritisiert der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Sinkt aber die Gewinnspanne noch weiter, sieht der Verband die Existenz vieler Firmen gefährdet. "Wenn die Margen weiter beschnitten werden, können die Händler die gewünschten Standards nicht umsetzen", sagt Antje Woltermann vom ZDK.
Überlebensgrenze: 1.200 Autos jährlich
Kritik an der Verfahrensweise kommt auch von der Professoren-Front: Willi Diez, der Leiter des Nürtinger Instituts für Automobilwirtschaft, bemängelt speziell das Vorgehen von BMW. Allerdings kritisiert er nicht etwa einen zu scharfen Kurs gegen die eigenen Händler - im Gegenteil: Diez bemängelt einen "zu langsamen und zu wenig konsequenten" Umbau des Händlernetzes. Besonders kritisiert der Professor, der die Szene kennt wie kein Zweiter, dass BMW die Händlermargen kürzt und damit auf eine Marktbereinigung setzt: "Schwachen Vertriebspartnern geht über kurz oder lang die Luft aus." Kränkelnde Betriebe müssten noch über Jahre durchgeschleppt werden. Damit riskiere BMW, dass auch gesunde Betriebe leiden. Nach seiner Einschätzung muss ein langfristig überlebensfähiges Autohaus etwa 1.200 Neuwagen im Jahr absetzen. Er hält es deshalb für sinnlos, kleine Betriebe künstlich am Leben zu erhalten.
Service: Anforderungen nicht erfüllbar
Für viele von ihnen könnte das Mehrmarken-Konzept im Werkstattbereich eine Perspektive sein. Die GVO regelt, dass Hersteller kein Veto mehr gegen den Wunsch einer Werkstatt einlegen dürfen, als offizieller Servicepartner tätig zu werden. Die Voraussetzung ist allerdings, dass der Servicebetrieb die Richtlinien des Herstellers einhält. Hier ist jedoch zu beobachten, was Kritiker von vornherein befürchten: Die Autohersteller legen ihre Anforderungskriterien so hoch an, dass sie praktisch nicht zu erfüllen sind. So wollen sie sich gegen unerwünschte Mitbewerber abschotten. "Was hier verlangt wird, ist wirtschaftlicher Wahnsinn", sagt etwa ein ehemaliger Volvo-Händler, der sich um einen Servicevertrag mit der schwedischen Marke bemüht. Mit Recht bezweifelt er, ob seine Werkstatt, die den Volvo-Richtlinien über zehn Jahre genügte, auch vor den neuen Auflagen bestehen kann.
Weiche Formulierungen und penible Vorgaben
Auf 44 Seiten listet der Hersteller seine Kriterien auf: Neben Standards ("Mindestens ein Werkstattarbeitsplatz ist vorhanden") finden sich darin auch zahlreiche Auflagen, deren weiche Formulierung eine Ablehnung begründen kann. Demnach müssen Kunden "in jedem Fall" einen freien Parkplatz auf dem Gelände vorfinden, und der Kundenbereich hat "freundlich und einladend gestaltet zu sein" - reichlich juristischer Spielraum für ein Regelwerk, das sonst den Standort jedes Zubehör-Verkaufsständers vorschreibt. Zudem seien "alle Vorgaben zur Corporate Identiy" umzusetzen: Die Investitionen ins einheitliche Erscheinungsbild der Marke beziffern Branchenkenner mit mindestens 30.000 Euro. Mindestens noch einmal 80.000 Euro kostet der Kauf von zwei neuen Volvo, die der Hersteller als Ersatzfahrzeuge für Kunden fordert: Nach einem Jahr müssen sie - unabhängig von ihrer Laufleistung - durch Neuwagen ersetzt werden.
Der ehemalige Volvo-Händler, dessen Bewerbung noch läuft und der deshalb seinen Namen nicht nennen will, hat Ausgaben von rund 150.000 Euro addiert: "Das rechnet sich nie." Zumal die Aufrüstung seines Betriebs noch keine Garantie für den Servicevertrag ist. Werkstätten müssen die Auflagen schon bei der Bewerbung erfüllen. Erst dann folgt die Prüfung durch ein von Volvo beauftragtes Zertifizierungsinstitut - und womöglich ein Rechtsstreit, wenn allzu elastische Kriterien für die Ablehnung sorgen.
Abwehrverhalten zieht sich durch ganze Branche
Die Abwehrtaktik des schwedischen Unternehmens ist kein Einzelfall. "Bedauerlicherweise zieht sich dieses Verhalten durch die ganze Branche", klagt Antje Woltermannn vom ZDK. Wie die Fachzeitschrift Kfz-Betrieb, offizielles Organ des ZDK, in einer Umfrage herausfand, versuchen sich fast alle Hersteller mit dicken Forderungskatalogen gegen freie Werkstätten abzuschotten. Zu den Aufnahmekriterien könnten Fußböden aus Granit, Kunden-Lounges mit DVD-Player und Internet-Anschluss oder Türklinken aus gebürstetem Aluminium zählen. Die Hersteller argumentieren mit der verbesserten Werkstattqualität: Schließlich verlange der Markt nach ausgefeiltem Service und einem angemessenen Ambiente. Viele Betriebe winken von vornherein ab: Der finanzielle Aufwand dafür sei einfach zu hoch.
Brüssel droht mit Entzug des Sonderstatus
Aber auch hier kündigt der ZDK Widerstand an. "Bei den Werkstattstandards ist noch nicht das letzte Wort gesprochen", sagt Antje Woltermann. Und EU-Kommissar Mario Monti droht mittlerweile, dass er die Behinderungen bei der GVO-Durchsetzung nicht akzeptieren werde. Ob Autohäuser oder Service-Stützpunkte: Wettbewerbshüter Monti könnte hart durchgreifen und den Herstellern mit dem Entzug ihrer Sonderstellung im EU-Kartellrecht drohen, raunen Branchenkenner. Die Folge dieser Sanktion aus Brüssel: Jeder Anbieter dürfte Neuwagen verkaufen - ob mit oder ohne Markenbindung.
Quelle
Das große Zocken geht aber weiter: Bis zum 30. September 2003 müssen Hersteller und Autohandel die Vertriebsregeln der neuen Gruppenfreistellungsverordnung (GVO) mit Verträgen besiegelt haben. Große Fortschritte sind bisher nicht zu verzeichnen: Stattdessen streiten sich die Rechtsanwälte. Die Hersteller wollen die Margen kürzen und den Handelspartnern noch höhere Anforderungsmerkmale vorschreiben. Doch die wehren sich nach Kräften: Nur Daimler-Chrysler, Ford, Volvo, Citroën und Subaru haben sich mit ihren Händlern schon geeinigt.
Ganz vorne an der Krawallfront stehen dagegen BMW, Opel und Volkswagen: BMW etwa will die Gewinnspanne in den Verträgen überhaupt nicht mehr festschreiben. Die Händler sollen über Bonussysteme entlohnt werden. Opel und VW sprechen sich für eine Kürzung der Konditionen aus - im Schnitt um mehr als einen Prozentpunkt. Gleichzeitig verlangen die Hersteller aber saftige Investitionen: Der Maßnahmenkatalog von BMW allein soll etwa 100 neue Forderungspunkte umfassen. Schon jetzt bliebe für Betriebe bei einer Umsatzrendite von nicht einmal einem Prozent kaum Spielraum, kritisiert der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). Sinkt aber die Gewinnspanne noch weiter, sieht der Verband die Existenz vieler Firmen gefährdet. "Wenn die Margen weiter beschnitten werden, können die Händler die gewünschten Standards nicht umsetzen", sagt Antje Woltermann vom ZDK.
Überlebensgrenze: 1.200 Autos jährlich
Kritik an der Verfahrensweise kommt auch von der Professoren-Front: Willi Diez, der Leiter des Nürtinger Instituts für Automobilwirtschaft, bemängelt speziell das Vorgehen von BMW. Allerdings kritisiert er nicht etwa einen zu scharfen Kurs gegen die eigenen Händler - im Gegenteil: Diez bemängelt einen "zu langsamen und zu wenig konsequenten" Umbau des Händlernetzes. Besonders kritisiert der Professor, der die Szene kennt wie kein Zweiter, dass BMW die Händlermargen kürzt und damit auf eine Marktbereinigung setzt: "Schwachen Vertriebspartnern geht über kurz oder lang die Luft aus." Kränkelnde Betriebe müssten noch über Jahre durchgeschleppt werden. Damit riskiere BMW, dass auch gesunde Betriebe leiden. Nach seiner Einschätzung muss ein langfristig überlebensfähiges Autohaus etwa 1.200 Neuwagen im Jahr absetzen. Er hält es deshalb für sinnlos, kleine Betriebe künstlich am Leben zu erhalten.
Service: Anforderungen nicht erfüllbar
Für viele von ihnen könnte das Mehrmarken-Konzept im Werkstattbereich eine Perspektive sein. Die GVO regelt, dass Hersteller kein Veto mehr gegen den Wunsch einer Werkstatt einlegen dürfen, als offizieller Servicepartner tätig zu werden. Die Voraussetzung ist allerdings, dass der Servicebetrieb die Richtlinien des Herstellers einhält. Hier ist jedoch zu beobachten, was Kritiker von vornherein befürchten: Die Autohersteller legen ihre Anforderungskriterien so hoch an, dass sie praktisch nicht zu erfüllen sind. So wollen sie sich gegen unerwünschte Mitbewerber abschotten. "Was hier verlangt wird, ist wirtschaftlicher Wahnsinn", sagt etwa ein ehemaliger Volvo-Händler, der sich um einen Servicevertrag mit der schwedischen Marke bemüht. Mit Recht bezweifelt er, ob seine Werkstatt, die den Volvo-Richtlinien über zehn Jahre genügte, auch vor den neuen Auflagen bestehen kann.
Weiche Formulierungen und penible Vorgaben
Auf 44 Seiten listet der Hersteller seine Kriterien auf: Neben Standards ("Mindestens ein Werkstattarbeitsplatz ist vorhanden") finden sich darin auch zahlreiche Auflagen, deren weiche Formulierung eine Ablehnung begründen kann. Demnach müssen Kunden "in jedem Fall" einen freien Parkplatz auf dem Gelände vorfinden, und der Kundenbereich hat "freundlich und einladend gestaltet zu sein" - reichlich juristischer Spielraum für ein Regelwerk, das sonst den Standort jedes Zubehör-Verkaufsständers vorschreibt. Zudem seien "alle Vorgaben zur Corporate Identiy" umzusetzen: Die Investitionen ins einheitliche Erscheinungsbild der Marke beziffern Branchenkenner mit mindestens 30.000 Euro. Mindestens noch einmal 80.000 Euro kostet der Kauf von zwei neuen Volvo, die der Hersteller als Ersatzfahrzeuge für Kunden fordert: Nach einem Jahr müssen sie - unabhängig von ihrer Laufleistung - durch Neuwagen ersetzt werden.
Der ehemalige Volvo-Händler, dessen Bewerbung noch läuft und der deshalb seinen Namen nicht nennen will, hat Ausgaben von rund 150.000 Euro addiert: "Das rechnet sich nie." Zumal die Aufrüstung seines Betriebs noch keine Garantie für den Servicevertrag ist. Werkstätten müssen die Auflagen schon bei der Bewerbung erfüllen. Erst dann folgt die Prüfung durch ein von Volvo beauftragtes Zertifizierungsinstitut - und womöglich ein Rechtsstreit, wenn allzu elastische Kriterien für die Ablehnung sorgen.
Abwehrverhalten zieht sich durch ganze Branche
Die Abwehrtaktik des schwedischen Unternehmens ist kein Einzelfall. "Bedauerlicherweise zieht sich dieses Verhalten durch die ganze Branche", klagt Antje Woltermannn vom ZDK. Wie die Fachzeitschrift Kfz-Betrieb, offizielles Organ des ZDK, in einer Umfrage herausfand, versuchen sich fast alle Hersteller mit dicken Forderungskatalogen gegen freie Werkstätten abzuschotten. Zu den Aufnahmekriterien könnten Fußböden aus Granit, Kunden-Lounges mit DVD-Player und Internet-Anschluss oder Türklinken aus gebürstetem Aluminium zählen. Die Hersteller argumentieren mit der verbesserten Werkstattqualität: Schließlich verlange der Markt nach ausgefeiltem Service und einem angemessenen Ambiente. Viele Betriebe winken von vornherein ab: Der finanzielle Aufwand dafür sei einfach zu hoch.
Brüssel droht mit Entzug des Sonderstatus
Aber auch hier kündigt der ZDK Widerstand an. "Bei den Werkstattstandards ist noch nicht das letzte Wort gesprochen", sagt Antje Woltermann. Und EU-Kommissar Mario Monti droht mittlerweile, dass er die Behinderungen bei der GVO-Durchsetzung nicht akzeptieren werde. Ob Autohäuser oder Service-Stützpunkte: Wettbewerbshüter Monti könnte hart durchgreifen und den Herstellern mit dem Entzug ihrer Sonderstellung im EU-Kartellrecht drohen, raunen Branchenkenner. Die Folge dieser Sanktion aus Brüssel: Jeder Anbieter dürfte Neuwagen verkaufen - ob mit oder ohne Markenbindung.
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